«Der AGVS ist für mich eine ­Lebensschule»

Rückblick mit Enrico Camenisch

«Der AGVS ist für mich eine ­Lebensschule»

1. Juli 2024 agvs-upsa.ch – An der DV in Basel trat Enrico Camenisch aus dem ZV zurück. Wir blicken mit dem Tessiner und grossen Schottlandfan auf seine Zeit im ZV zurück.

artikel_camenisch_2.jpgEnrico Camenisch oder «Chico d’oro», wie ihn ZV-Kollege Nicolas Leuba nach Erhalten der goldenen Ehrennadel in seiner Laudatio schmunzelnd nannte, beim Apéro. Fotos: AGVS-Medien

Herr Camenisch, Sie haben sich seit 2015 als ZV-Mitglied des AGVS und zuvor schon seit 1995 in der Sektion Tessin mit viel Herzblut für die Mobilität und das Garagengewerbe eingesetzt, was hat sich in dieser Zeit alles verändert?
Enrico Camenisch: Alles ist schneller geworden, nur der Strassenverkehr nicht. Die Komplexität für Unternehmen und diejenigen, die sie leiten, hat sich erhöht. Auch die Anforderungen bezüglich Wissens, Finanzen und Wirtschaft sind gestiegen. Unser Wirtschaftssektor ist wichtig, er beschäftigt viele Menschen, generiert einen beachtlichen Umsatz sowie erhebliche Steuereinnahmen und ermöglicht eine sichere Mobilität. Dennoch hat die Politik nach europäischem Vorbild ihren Teil zur Komplexität beigetragen, indem sie den Druck auf die Garagen durch Gesetze und Vorschriften erhöhte. Dasselbe geschah auf administrativer Seite, wo Bund, Kantone, Gemeinden, Importeure, Fahrzeughersteller und sogar Verbände die Belastung der Betriebe überproportional erhöhten. Auch auf finanzieller Seite hat sich viel verändert: Die Margen sind weiter gesunken, die notwendigen Investitionen sind gestiegen. Dies alles im Gleichgewicht zu halten, ist die eigentliche, tägliche Herausforderung für jedes AGVS-Mitglied. Der Garagist muss sich weiterhin um den Kunden kümmern, denn das Ziel, den Kunden zufrieden zu stellen und manchmal auch zu überraschen, ist das, was den Fortbestand seines Unternehmens sichern kann. Mit Bewunderung, viel Respekt und Dankbarkeit wende ich mich an die AGVS-Mitglieder und danke ihnen für das, was sie täglich tun.

Was waren Ihre grössten – auch ­politischen – Erfolge in Ihrer Zeit im ZV?
In einem Gremium wie dem AGVS ist es die Arbeit des Teams, die Ergebnisse bringt, die zum Erfolg führt, nicht diejenige des Einzelnen. Der AGVS ist für mich eine Lebensschule. Die Menschen, die ich auf meiner 40-jährigen Verbandsreise getroffen habe, haben dazu beigetragen, meine unternehmerische Reife zu entwickeln. Daher kommen meine Dankbarkeit und mein Engagement für den AGVS. Einigkeit macht stark, und ich denke, das ist der wichtigste Erfolg, den der ZV unseres Verbandes erzielt hat. Er hat es im Laufe der Zeit geschafft, Unternehmen aller Grössen mit unterschiedlichen, vielleicht sogar gegensätzlichen oder konkurrierenden Interessen zusammenzuhalten. Sich auf das zu konzentrieren, was verbindet, statt auf das, was trennt, war in all den Jahren der Schlüssel zum Erfolg. Der besondere Stellenwert der Berufsausbildung und das hohe Qualitätsniveau, das in diesem Bereich erreicht wurde, erfüllt nicht nur den ZV, sondern jedes einzelne Mitglied und die gesamte Branche mit Stolz.

artikel_camenisch.jpgEnrico Camenisch und seine ZV-Nachfolgerin Ilaria Devittori an der DV in Basel.
 
Und die herbsten Niederlagen?
Ich bin ein Optimist, Niederlagen sind eine Lehre und müssen analysiert werden, um immer besser zu werden. Deshalb möchte ich lieber darüber sprechen, was ich im Laufe der Jahre im ZV nicht ändern konnte, obwohl ich viel Zeit und Energie investiert habe. Es gibt zwei Themen, welche die Beziehungen des Verbandes zu all seinen Mitgliedern und der italienischsprachigen Bevölkerung der Schweiz betreffen. Das erste betrifft die Übersetzung von Texten aus dem Deutschen ins Italienische: In diesem Bereich wurde noch kein akzeptables Niveau erreicht. Der zweite Punkt, der ebenfalls mit dem Sprachproblem zusammenhängt, ist, dass der AGVS nicht in der Lage ist, allen Mitgliedern die gleichen Dienstleistungen und die gleiche Behandlung anzubieten. Für mich ist das eher eine Frage des Respekts als eine kulturelle Frage.

Was werden Sie am meisten vermissen?
Carpe diem! Ich habe in diesen Jahren immer versucht, intensiv zu leben und für das Wohl der Mitglieder und des Verbands zu arbeiten. Im ZV habe ich versucht, gute Beziehungen zu allen zu pflegen und bin von allen reichlich belohnt worden. In diesem Sinne verlasse ich den Ausschuss und danke allen für das, was sie mir gegeben haben. Was ich aber sicher nicht vermissen werde, ist den dichten Autobahnverkehr bei meinen Fahrten vom Engadin oder vom Tessin nach Bern. Ich bitte Sie darum alle, alles daran zu setzen, dass das Referendum gegen die Strasseninvestitionen im kommenden Herbst mit überwältigender Mehrheit abgelehnt wird.

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Die drei langjährigen ZV-Mitglieder Pierre Daniel Senn, Enrico Camenisch und René Degen. (v.l.n.r.)
  Sie hatten als ZV-Mitglied des AGVS stets einen vollen Terminkalender, wie nutzen Sie die neu gewonnene Zeit?
Die Antwort geht ins Private, aber ich gebe sie sehr gerne. Schliesslich kann ich mich nun der Person widmen, die mich während meines ganzen aktiven Lebens immer unterstützt, getragen und ertragen hat, und das war keine leichte Aufgabe: meiner Frau Verena. Sie ist in vielerlei Hinsicht diejenige, die jetzt auf meine Unterstützung und Hilfe angewiesen ist. Ich bin sehr froh, dass ich ihr wenigstens etwas von dem zurückgeben kann, was ich erhalten habe. Und diejenigen, die mich gut kennen, wissen, wie sehr ich mih mit Schottland und insbesondere mit den Highlands verbunden fühle. Da ich nicht dorthin ziehen konnte, bin ich in die Schweizer Highlands, ins Engadin, gezogen. Hier werde ich endlich meiner wahren, lebenslangen Leidenschaft nachgehen können: den Bergen. Und ich habe mir eine neue Herausforderung gestellt: eine neue Sprache zu lernen – Rumantsch Puter, die Sprache des Oberengadins.

Welchen Rat geben Sie Ihrer Nachfolgerin mit auf den Weg?
Die neue Vertreterin der italienischen Schweiz im ZV ist Ilaria Devittori. Eine junge Unternehmerin mit ausgezeichnetem Bildungshintergrund, die sich in den drei Landessprachen ausdrücken kann. Sie wird auch die kleinen Unternehmen in den Alpenregionen perfekt vertreten. Trotz ihres jungen Alters kennt sie die Verbandsmechanismen des AGVS bereits gut. Ich kann ihr also nur wünschen, dass sie schnell ihren Platz im Ausschuss findet und ihr sagen, dass sich ihre Ausschusskollegen auf die Zusammenarbeit mit ihr freuen. Und, liebe Ilaria, bleibe du selbst, kämpfe für das, woran du glaubst, und verschaffe dir Gehör.
 
Enrico Camenisch ­persönlich
Enrico Camenisch wurde 2015 in den AGVS-Zentralvorstand gewählt. Damals war er Garagist in Lugano und vertrat die Tessiner Mitglieder im ZV. Dort nahm er ab 1984 an den Arbeiten verschiedener kantonaler AGVS-Kommissionen teil und war zuerst Mitglied und dann Präsident des Regionalvorstands der AGVS-Gruppe von Lugano. Ab 1995 arbeitete er auch im Sektionsvorstand und war von 2002 bis 2008 Sektionspräsident. Das Sprachtalent mit guten Deutsch-, Französisch- und Italienisch-Kenntnissen ist auch in diversen Kommissionen aktiv. Zudem ist er 2020 als Arbeitgebervertreter in die Versicherungskommission (paritätisches Organ) der Pensionskasse Mobil berufen worden. Ein Amt, das er noch bis Ende Juni 2024 ausübte.
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