Der lange Weg in den Showroom

Fahrzeuglogistik als Dienstleistung

Der lange Weg in den Showroom

30. Juni 2021 agvs-upsa.ch – Fast 300'000 Neuwagen werden in normalen Jahren in der Schweiz pro Jahr verkauft, doch der Weg vom Band des Herstellers bis in den Showroom ist mit einigen Zwischenstationen und Arbeiten verbunden. Die AGVS-Medien haben ihn genauer unter die Lupe genommen, geschaut, was die Importeure dabei alles leisten müssen, und einen Blick hinter die Kulissen des Fahrzeuglogistik-Zentrums der Mobilog AG im Birrfeld im Kanton Aargau werfen dürfen.

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Marco Weber, Head of Car Logistics bei der Mobilog AG, einer Tochtergesellschaft der Amag Group. Fotos: AGVS-Medien

jas. Neuwagen fallen auch in der Schweiz nicht vom Himmel, sondern rollen meist auf LKW-Transportern oder auf dem Zug über die Grenze. Bevor sie beim AGVS-Garagisten ankommen, legen viele einen Zwischenstopp in Altishofen LU, Studen BE oder Lupfig AG ein. Hier liegen einige der grössten Logistikzentren für Neuwagen der Schweiz, eingezäunt und gut bewacht. «Das war nicht immer so», verrät Marco Weber, Head of Car Logistics bei der Mobilog AG, einer Tochtergesellschaft der Amag Group. «Als das Auslieferungszentrum Birrfeld in den 1960er-Jahren entstand, gab es noch keinen Zaun. Ein Graben und natürliche Hecken reichten – heute schlicht unvorstellbar!» Auf dem aktuell rund 165'000 m2 grossen Areal im Aargau werden die Neuwagen aus dem Volkswagen-Konzern für die Schweizer Händler verzollt, kontrolliert, aufbereitet und für die Auslieferung vorbereitet. «Selbst im Corona-Jahr 2020 waren dies noch 76'363 Fahrzeuge, die über die beiden Mobilog-Compounds in Lupfig und Studen importiert wurden», erläutert Weber beim Rundgang übers Areal.

70 Prozent der Neuwagen kommen mit dem Zug im Birrfeld an, doch der Anteil sinkt. Das ist auf zwei Hauptfaktoren zurückzuführen: Zum einen liefern sich die internationalen Spediteure einen unerbittlichen Preiskampf und zum anderen herrscht längst nicht mehr nur auf den Strassen, sondern auch auf dem europäischen Schienennetz Stau. Das heisst, Fahrzeuge aus Emden, wo die in Mexiko produzierten Fahrzeuge per Frachtschiff ankommen, müssen alle durchs Nadelöhr Basel – ebenso alle anderen, in Europa produzierten Neuwagen des VW Konzerns, die per Bahn angeliefert werden. «Selbst die im bayrischen Ingolstadt und Neckarsulm vom Band laufenden Audi-Modelle müssen den Umweg via Basel ins Birrfeld machen», erklärt der Logistikexperte. «Für den Bahntransport gibt es zudem fixe Kontingente und Regeln. So darf die Schweizer SBB-Lok beispielsweise nicht einfach uneingeschränkt auf dem Badischen Bahnhof in Deutschland rangieren und dort abgestellte Waggons mit unseren Neuwagen holen. Auch die Zeitfenster, um die Fahrzeuge auf der Schiene von Basel nach Lupfig zu bringen, werden nicht grösser.»
 
Sind diese Autozüge einmal auf dem Areal, bringen die Mobilog-Mitarbeitenden die insgesamt drei gelben Stahlrampen an. Dann kann mit dem Abladen der weltvollen Fracht begonnen werden. Scheint trivial, ist es aber nicht. Um die Ebenen der Bahnwagen der diversen Waggon-Anbieter anpassen zu können und die Neuwagen sicher aufs Areal zu fahren, braucht es eine spezielle Drehvorrichtung, die in einem VW T6 verbaut ist. «Das ist eine Eigenkonstruktion, weil es keine automatische Vorrichtung gab, um die Ebenen schneller fürs sichere Abladen anzupassen», erläutert Weber, während ein weiterer Audi in einem Full-Body-Cover (FBC) als Schutz vor Transportschäden und Flugrost vom Bahnwagen gefahren wird. «Je nach Schutzfolien, Teilschutzbeklebungen oder FBC auf den Fahrzeugen durchlaufen diese nach der Verzollung auch ganz unterschiedliche Reinigungsprogramme», erläutert er. «Wir haben dazu sechs Waschboxen und eine Waschstrasse zur Verfügung. Schon vor längerer Zeit haben wir uns gegen eine einzige grosse Hochleistungswaschanlage entschieden, da wir dadurch bei einem Problem einen zu grossen Flaschenhals geschaffen hätten.» Insgesamt rechnet die Mobilog mit einer Bearbeitungszeit von 2,5 Tagen pro Fahrzeug, logischerweise ohne allfällige Reparaturen und Zusatzaufträge.

«Bei den Lastwagen-Anlieferungen haben wir im Gegensatz zu den Bahntransporten die Herausforderung, dass diese meistens geballt von Dienstag- bis Donnerstagmittag bei uns eintreffen», so Weber und ergänzt mit nachsichtigem Lächeln: «Auch Chauffeure verbringen ihre Wochenenden lieber zuhause.» Anders als bei den Auto-Zügen aus Deutschland, deren Eintreffen planbarer ist, weiss der Head of Car Logistics nie, wann und wie viele Trucks vorfahren. Wie zum Beweis fahren bei der zuvor noch leeren LKW-Anlieferung auf dem Areal gleich drei Lastwagen vor. Der erste Chauffeur beginnt mit dem Abladen der Neuwagen. Und schon geht das Rolltor nach oben und die beiden Mobilog-Mitarbeiter beginnen die abgeladenen Fahrzeuge einzeln und im speziellen Scheinwerferlicht unter die Lupe zu nehmen. So erkennen sie auch kleinste Transportschäden und können diese in den Übergabe-Papieren festhalten, sonst ist plötzlich nicht mehr der Transporteur, sondern der Importeur für einen Schaden, fehlende Fussmatten oder Notfallsets verantwortlich.

Bei über 300 Fahrzeugen pro Tag, die im Birrfeld täglich verarbeitet werden, kann so etwas rasch ins Geld gehen. Doch den prüfenden Blicken der Mitarbeitenden entgeht dank der langjährigen Erfahrung selten etwas. Besonders bei Schutzfolien oder Schaumstoffstücken, die plötzlich nicht mehr am gewohnten Ort angebracht sind – und sei es auch nur 20 Zentimeter weiter oben am Türrahmen –, gelte es genauer hinzuschauen. Nicht selten würde so versucht, einen möglichen Schaden zu verbergen. Dieses Mal passt alles, der neue Seat wird zwar etwas schmutzig vom Transport, aber unbeschädigt auf den Sortierplatz gestellt.

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Zwei Mitarbeitende nehmen einen zuvor vom LKW abgeladenen Neuwagen genauer unter die Lupe.

«Die LKW-Anlieferungen nehmen in den letzten Jahren zu, Rekord waren bislang 54 LKW an einem einzigen Tag. Dann bleibt kaum Platz, um alle Fahrzeuge abzuladen», so Weber. Platz ist sowieso oft ein rares Gut im Birrfeld. Die Lagerfläche von rund 80'000 m2, davon 42'000 m2 im mehrstöckigen Parkhaus, ist immer wieder ein Thema – sie reicht für 3000 Parkplätze. Weitere 1000 Parkplätze stehen extern zur Verfügung. Zudem sind im Aargauer Fahrzeuglogistik Zentrum auch keine Fahrzeuge der Volkswagen-Konzernmarke Skoda auszumachen. «Die werden seit 2017 an unserem zweiten Standort in Studen verarbeitet», erklärt Weber. «Dort haben wir Lagerkapazitäten für 800 Fahrzeuge und konnten so letztes Jahr die Abwicklung von 17'894 Skoda-Modellen vornehmen.

Die Skodas werden ausschliesslich per LKW angeliefert und dafür ist Studen, wo wir auch die jungen Qualitätsoccasionen von Amag-Recars aufbereiten, perfekt geeignet.» Während im Birrfeld diverse PDI-Aufgaben (Pre-Delivery-Inspection) und Zusatzleistungen durch Mobilog-Mitarbeitende selbst ausgeführt werden, setzt man in Studen in gewissen Teilbereichen auf erfahrene Partner wie die Cotra oder die Cartec. Alle qualitätsrelevanten Arbeiten wie Oberflächenkontrolle und technischen Aufbereitungen werden aber von rund 10 Mobilog-Mitarbeitenden durchgeführt.

Die ganze Aufbereitung und Grundbereitstellung ist perfekt durchgetaktet – auch hier im Birrfeld: Vom Sortierplatz geht es zum Tanken und zur Verzollung, wo jedes Fahrzeug seine Papiere inklusive gelbes Formular 13.20, Parkscheibe, CH-Kleber, Kleber mit Stamm- und Fahrzeugnummer für den Handel sowie der internen Verarbeitungskarte bezüglich weiterer Arbeiten erhält. Danach geht es im Normalfall via Waschstrasse zur sechs Minuten dauernden Grobreinigung und weitere sechs Minuten bleiben für die Oberflächenkontrolle sowie wenn nötig auch für die allfällige Montage von Vorführwagen-Beschriftungen – danach auf den Fertigplatz und dann weiter zum Spediteur.
 

In den letzten Jahren wurden vor allem die Kapazitäten für technische Prüfaufträge, die Fahrzeugaufbereitung und weitere Dienstleistungen ausgebaut, um den Handel von Standardarbeiten zu entlasten. Denn die Neuwagen werden hier längst nicht mehr nur verzollt, gewaschen und via PDI auf Mängel kontrolliert. In einem der Räume werden beispielsweise bei mehreren der elektrischen ID.3 gerade Fahrschulpedale installiert. Im nächsten Raum steht eine Reihe des neusten VW-Elektromodells ID.4. Sie sind zwar bereits gewaschen und auch mit einem speziellen Aufkleber für Vorführwagen versehen, erhalten aber hier noch ein umfassendes Software-Update, bevor sie an den Handel ausgeliefert werden. «Wir bieten dem Handel inzwischen diverse Dienstleistungen an, von technischen Selbstabnahmen, Übergabeinspektionen über Umbereifungen bis hin zum Einbau von Tuning-Elementen oder auch Desinfizieren von Miet- und Abo-Fahrzeugen», erklärt Weber. «Dieser Bereich ist in den letzten Jahren klar gewachsen. Wir können für Händler und Garagisten auch temporär bei Ferien oder bei einem Kapazitätsengpass gewisse Arbeiten übernehmen, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.»


Die aktuell 42 Mitarbeitenden im Bereich PDI und die 40 Mitarbeitenden im Bereich Zusatzdienstleistungen haben alle Hände voll zu tun. «Es hat sich viel verändert, seit die Autos damals noch mit einer Paraffinwachs-Beschichtung als Schutz bei uns angekommen sind. Wir bieten und übernehmen für den Handel inzwischen klar mehr Dienstleistungen», erläutert Weber. Was sich aber trotz zunehmender Elektrifizierung der Fahrzeuge und der Digitalisierung nicht geändert hat, ist die Information zum Lagerort der einzelnen Fahrzeuge. Diese wird immer noch manuell auf einer Laufkarte vermerkt. «Geotagging, ob für den Transport oder auch hier vor Ort für die Suche nach einem Fahrzeug, sind noch nicht vollumfänglich möglich», so der Logistikexperte. «Sind die Zahlen zu Reihe und Parkplatz nicht leserlich geschrieben oder falsch, heisst das: Suchen, bis man das Fahrzeug gefunden hat. Zwar könnten QR-Code und Co. dereinst die bewährten Karten ablösen, nur bergen diese Scanner auch gewisse Gefahren für die Neuwagen: «Zum einen könnten die Geräte oder deren Halterungen für Kratzer und Schäden sorgen und zum anderen bleiben sie gerne mal liegen», erklärt Weber.

Mit der Gründung der Mobilog AG als neuer Logistik- und Ersatzteiledienstleister, einem neuen Karosserie- und Lackzentrum, aber auch dem Bau eines neuen Auto-Lagerhauses gibt es in den nächsten Jahren neben der Digitalisierung zahlreiche Neuerungen, die im Birrfeld helfen, den ganzen Aufbereitungs- und Grundbereitstellungs-Prozess noch optimaler zu gestalten. Einzige Herausforderung bleibt für den Logistikexperten und sein Team daher wohl weiterhin das Wetter: «Gegen Hagel haben wir zwar Schutznetze, aber Schlechtwetter und vor allem Schneefall können uns schon ausbremsen. Wir haben beispielsweise immer noch Schneehaufen vom grossen Schneefall im Januar», sinniert Weber zum Abschluss des Rundgangs. 

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