Die Tankstelle hat Zukunft

Verschiedene Szenarien zeigen:

Die Tankstelle hat Zukunft

31. Oktober 2023 agvs-upsa.ch – 3314 Markentankstellen gab es Ende 2022 in der Schweiz; nicht wenige sind einem Garagenbetrieb ­angeschlossen. Was bedeutet die zunehmende Elektrisierung der Fahrzeugflotte für sie und wie sieht die ­Tankstelle der Zukunft aus? Braucht es diese noch? Wir geben Antworten und Entwarnung. Sascha Rhyner

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Zapfsäulen wird es noch einige Jahre brauchen, allerdings wird sich das Tankstellengeschäft diversifizieren. Foto: Shutterstock

Viele Menschen machen auf dem täglichen Weg zur Arbeit an einer Tankstelle einen Stopp. Manchmal ist der Toilettenbesuch, das morgendliche Gipfeli oder der Wunsch nach einem Tabakprodukt wichtiger als das Tanken – falls überhaupt Treibstoff nachgefüllt wird. Mit dem Wechsel zur Elektromobilität fällt der eigentliche Zweck der Tankstelle zunehmend weg. Ist daher nicht nur der Verbrennungsmotor, sondern auch die Tankstelle ein Auslaufmodell?

Aral stellte in Deutschland eine Studie vor, wie Tankstelle der Zukunft aussehen könnte und darin steht: Der Tankstellenmarkt wird sich bis ins Jahr 2040 nicht wesentlich ­ändern, weil noch immer ein grosser Teil der Fahrzeuge mit Benzin oder Diesel unterwegs sein wird. Auf der anderen Seite ist das Laden deutlich dezentraler als das Tanken. Anders als bei Benzin und Diesel muss Strom nicht an einem zentralen Ort abgegeben werden. Laden lässt sich an vielen Orten. Die Studie zeichnet vier Szenarien, wie Tankstellen aussehen könnten, wenn immer mehr Menschen mit dem Elektroauto fahren.

1. Die «neue» Tankstelle 2.0
Festhalten am Bisherigen ergänzt mit Ladestationen. Die Einnahmen dieser Tankstellen würden aus dem Verkauf von traditionellem Kraftstoff wie Benzin und Diesel, aus der Autowäsche und dem profitablen Tank­stellenshop, in dem sich vielfältige Artikel des täglichen Bedarfs finden, stammen. Und – wo vorhanden – aus Ladestationen.

2. Der Ladepark – radikal in eine ­«erneuerbare» Zukunft
Für dieses Szenario wird eine Annahme vorausgesetzt: Grüner Wasserstoff etabliert sich als Antriebsart. Somit werden neben der Möglichkeit zum elektrischen Laden auch Wasserstoffinfrastrukturen benötigt. Nach dem heutigen technologischen Stand braucht die Ladeinfrastruktur enorm hohe Anschluss­leistungen und hat aufgrund der im Vergleich langen Ladezeiten einen grossen Platzbedarf.

3. Das Kiosk-Konzept – ­kommunikative und soziale ­Funktion im Fokus
Es wird ein Mix aus unterschiedlichen Waren und Dienstleistungen angeboten. Neben den immer wichtiger werdenden Liefer-, ­Kurier- und Versanddiensten, könnten auch weitere Angebote wie Bankautomaten, Bistros, kleine Gemischtwarenläden oder ein Mietwagen-Service die Angebotspalette ergänzen. 

4. Der Mobilitätsknotenpunkt – ­zentrale Lage als Vorteil für neues Geschäftsmodell
Zum Mobilitäts-Knotenpunkt kommen Menschen, weil er so zentral gelegen ist und dort unterschiedliche Mobilitätsangebote gleichzeitig angeboten werden. Ob Scooter, Mofa, Mietauto oder (Fernreise-)Bus, hier würden sich viele Transportmittel vereinen. Ergänzend könnten diese Orte als Informationszentrale oder Imbiss dienen.

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Ladestationen werden wichtiger, doch werden diese nicht nur an ­Tankstellen zu finden sein. Foto: Fastned

Das eine tun – das andere nicht lassen
Roland Bilang, Geschäftsführer von Avenergy Suisse, Vertreter der Importeure flüssiger Brenn- und Treibstoffe, gibt Antworten auf die grössten Herausforderungen für Tankstellen in der Zukunft:
 

Elektrifizierung der Fahrzeuge
Einerseits nimmt die Zahl der Fahrzeuge mit Elektromotoren zu. Andrerseits bleibt aber auch die Zahl der Fahrzeuge mit einem Tank auf hohem Niveau stabil. Die Tankstellen ­stehen also vor der Herausforderung, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Von einem eigentlichen «Umstieg» von flüssigen Treibstoffen auf Strom im Energieangebot ist in absehbarer Zeit wohl nur in den allerwenigsten Fällen auszugehen. 

Veränderung des Kundenverhaltens
Viele Tankstellen befinden sich an Orten, die durch die individuelle Mobilität hervorragend erreichbar sind. In diesem Umstand steckt für viele Unternehmen bestimmt noch ein grösseres Entwicklungspotenzial. Sie können sich ihre zentrale Lage zu Nutze machen und ihrer Kundschaft mehr anbieten als die Energie für die Fortbewegung. Dementsprechend werden solche Tankstellen für ein wachsendes Kundensegment zunehmend zu einer eigentlichen Mobilitätsdrehscheibe. 



Autonomes Fahren
Betrifft die Tankstellen wohl nicht unmittelbar, ist Zukunftsmusik von übermorgen. 

Technologische Herausforderungen, ­Sicherheit
Neue Energieträger wie Gas, Wasserstoff oder Strom und die Diversifizierung der klassischen (bspw. Bleifrei 95/98; Spezialprodukte, Biotreibstoffe) waren und sind für die Tankstellen stets Teil des Geschäfts. Die damit verbundenen technischen Herausforderungen sind für die Kundschaft in der Regel nicht wahrnehmbar. Tankstellen verfügen über langjährige ­Erfahrung und höchste Ansprüche im Umgang mit den klassischen Treibstoffen. Dies dient einerseits der Sicherheit der Kundschaft und des Personals, andrerseits gewährleistet es eine hohe und konstante Qualität der verkauften Produkte. Wenn man von der Diversifizierung des Energienangebots spricht, darf nicht vergessen gehen, dass diese klassischen Standards auch auf die neuen Energieträger anzuwenden sind. Der Betrieb einer Tankstelle dürfte ­dadurch anspruchsvoller werden. 

Wettbewerb und Marktvolatilität
Die Schweiz hat im Vergleich zu den Nachbarländern eine sehr hohe Tankstellendichte. Dies führt zumindest in den dicht besiedelten Gebieten des Landes automatisch zu einem strengen Wettbewerb unter den Anbietern und damit verbunden zu einem steten Druck auf die Margen im Treibstoffgeschäft. Auf der anderen Seite verkaufen die Tankstellen ein unverzichtbares Gut, worin sicher auch ein Grund liegt für das hohe Interesse der Kundschaft an den Zapfsäulenpreisen. Jüngste Entwicklungen wie Preis-Apps verstärken diesen Trend noch und erhöhen die Transparenz bei den Treibstoffpreisen weiter. Andrerseits sollte sich die Kundschaft auch bewusst sein, dass hohe Qualität und ein breites Angebot ihren Preis haben, namentlich an den hoch frequentierten attraktiven Standorten. 

Regulatorische Anforderungen
Für den Betrieb einer Tankstelle, insbesondere wenn noch ein Shop angegliedert ist, besteht eine sehr hohe Regulierungsdichte. Die Palette eidgenössischer und kantonaler Regelwerke reicht (nicht abschliessend) vom Arbeits- und Lebensmittelrecht bis hin zum Explosions- und Gewässerschutz und der Luftreinhaltung. 

Elektronische Fahrzeugkommunikation (Daten)
Tankstellen der Zukunft müssen für die elektronischen Kommunikationssysteme der Fahrzeuge erkennbar sein: ihr Angebot, ihr Status, die Besucherfrequenz, Preise, Aktionen etc. Solche Systeme werden wohl kaum von den Tankstellenbetreibern selbst entwickelt, sondern dürften von Dritten angeboten werden. Die heute laufend weiterentwickelten elektronischen Zahlungssysteme an den Betankungsanlagen bilden eine Vorstufe dieser Entwicklung.

Kundenbindung und -erfahrung
Man könnte sagen: jedem die seine. Tankstellen mit einem 360-Grad-Angebot finden ebenso ihre Kundschaft wie die einfache Zapfsäule, an der es ausser Diesel und Benzin nichts zu kaufen gibt.
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