45 Vorschläge, wie ein Garagen­betrieb effizienter wird

Automobile werden stetig besser und effizienter – dank modernen Technologien, dank Einsatz digitaler Tools und dank ­zunehmender Vernetzung. Wie können auch die Schweizer Garagen immer besser und effizienter werden? Ein Projekt der Universität St. Gallen liefert Antworten.

Es ist nicht etwa so, dass die Schweizer Garagisten nicht wissen, was sie tun. Wer seit bald 100 Jahren Automobile verkauft, wartet und repariert sowie einer immer anspruchsvolleren Kundschaft als kompetenter Berater zu Seite steht, der kennt seine Prozesse und hatte genügend Zeit, diese zu optimieren. Und doch: Welcher Garagist hat noch den Überblick oder nur schon die Zeit, sich im hektischen Alltag laufend über neue, digitale Hilfsmittel zu informieren?

Hier greift die Marktanalyse der vier Studierenden der Uni St. Gallen (HSG) an. «Die Prozesse in den von uns untersuchten Garagen sind mehr oder weniger identisch», sagt Studentin Fabienne Rudolf. «Aber wir haben beispielsweise in vielen Betrieben Medienbrüche festgestellt.» Als Medienbruch bezeichnet man Vorgänge in der Informationsverarbeitung, wenn Inhalte von einem Medium in ein anderes übertragen und dazu nochmals erzeugt werden müssen. Fabienne Rudolf: «Vieles wird von Hand erfasst und anschliessend in ein anderes Medium übertragen.» Das ist ineffizient. «Ineffizient sind auch einzelne Software-Programme, die nicht miteinander kommunizieren. Hier bietet beispielsweise Stieger Software eine einheitliche Lösung mit rund 850 Schnittstellen», führt Pascal Inauen anhand eines konkreten Beispiels aus.

Die vier Studierenden führten für ihre Marktanalyse fünf eingehende Experteninterviews, sprachen am Auto-Salon 2019 in Genf mit acht Vertretern aus der Zulieferbranche und besuchten vier Garagen unterschiedlicher Grösse. Daraus definierten sie die Prozesse in einem Garagenbetrieb und sichteten verschiedene digitale Technologien, mit denen die Effizienz erhöht werden kann. Diese Technologien bewerteten sie nach fünf Kriterien: zeitliche Umsetzbarkeit, Innovationskraft, Zeitersparnis, Umsetzungskosten und Betriebsgrösse. Denn nicht jede Technologie ist für jede Art des Betriebs gleich geeignet.

Der Output des Quartetts ist beachtlich: Nicht weniger als 45 Technologievorschläge resultierten aus der Marktanalyse. Dabei stiessen die Studierenden auf technologische Hilfsmittel wie der Chat-Bot (aktuell zur Terminvereinbarung, in Zukunft möglicherweise auch für Reparaturanleitungen), Connected Car Repair (Vermeidung von Doppelspurigkeiten durch Vernetzung aller Werkstattgeräte), Augmented Reality oder auch Fahrzeugscanner. «Diese Tools existieren alle auf dem Markt», erklärt Pascal Inauen.

Doch die Studierenden liessen es nicht dabei bewenden, sondern ersannen auch mögliche Technologien, die noch nicht existieren. Inauen: «Wir haben bei unseren Garagenbesuchen festgestellt, dass Hebebühnen oft einen Engpassfaktor darstellen. Wenn der Mechatroniker mit einem Fahrzeug beschäftigt ist, muss er jeweils nachschauen gehen, ob die Hebebühne noch belegt oder schon frei ist. Das kostet jedes Mal Zeit und unterbricht die Arbeit.» Eine digitale Vernetzung, die ihm auf seinem Tablett anzeigt, dass die Hebebühne frei ist, würde hier die Effizienz steigern.

Federführend für das Projekt war seitens AGVS der Bereich Branchenvertretung von Geschäftsleiter Markus Aegerter. Aegerter ist sehr zufrieden mit der Arbeit des HSG-Quartetts, blickt aber bereits ein Stück weiter: «Der Einsatz von neuen Technologien ist wichtig, um die Effizienz zu steigern. Mittel- bis langfristig braucht der Garagist aber auch neue Geschäftsfelder.» Es kommt noch einiges zu auf diese dynamische Branche.

 
 
Fragen an Markus Aegerter
Überrascht von den Vorschlägen

Herr Aegerter, vier HSG-Studenten haben unter der Leitung von Frau Professor Andrea Back in einer mehrmonatigen Arbeit digitale Technologien und Prozesse in der Autowerkstatt durchleuchtet und analysiert. Was war der Grund für dieses Projekt?
Markus Aegerter, AGVS-Geschäftsleitung: Es vergeht zurzeit kein Tag, an dem nicht in irgendeinem Fachmedium über die Veränderungen in der Autobranche berichtet wird. Dabei geht es meistens um neue Technologien, alternative Antriebe, neue Vertriebswege, Datenvernetzung oder Carsharing. Über digitalisierungsbedingte, effizienzsteigernde Verbesserungen bei den Werkstattprozessen hört man weniger. Wir wollten deshalb wissen, was diesbezüglich heute schon auf dem Markt vorhanden ist und was allenfalls noch möglich wäre.

Am 14. Mai präsentierte die HSG die ­Resultate der Analyse. Wie zufrieden ist der AGVS mit dem Output?
Wir haben das Projekt zu dritt begleitet. Neben meiner Person waren unsere Automobiltechniker Markus Peter und Markus Schwab involviert. Wir waren alle drei begeistert; 45 Technologievorschläge hätten wir nie erwartet. Die HSG-Studierenden haben hier wirklich grossartig gearbeitet.

Wie konkret sind die Ergebnisse der Studierenden? Anders gefragt: Welchen direkten Nutzen kann das AGVS-Mitglied daraus ziehen?
Den Garagisten wird anhand der erwähnten 45 Technologievorschläge aufgezeigt, was heute in manchen Werkstätten schon digitalisiert worden ist und welche weiteren Möglichkeiten es gäbe. Zudem wird jeder Vorschlag auf seine Praxistauglichkeit bei kleineren, mittleren oder grossen Garagenbetrieben bewertet. Ich bin überzeugt davon, dass jeder Garagist, der sich ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzt, die eine oder andere Idee für seinen Betrieb interessant findet und weiterverfolgen kann.
Wie werden diese Resultate nun den Garagisten zugänglich gemacht?
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