Zwei Jahre Aftersales für JAC

Eine Chance aus China

Zwei Jahre Aftersales für JAC

19. Juni 2023 agvs-upsa.ch – Die chinesische Marke JAC ermöglicht vielen Garagisten einen ­Einstieg in die Welt der E-Mobilität und den Ausbau der ­E-Kompetenz. Mit Potenzial, wie gewisse AGVS-Garagen beweisen. Hostettler ­Autotechnik übernimmt den Aftersales und verrät Heraus­forderungen in der Zusammenarbeit mit den Chinesen.

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Marcel Stocker (Leiter Automotive bei Hostettler), Martin Joller (Techniker) und René Köchli (Leiter Category Management) mit dem neuen JAC e-JS4 (v.l.n.r.). Fotos: AGVS-Medien

jas. Es ist auch für den grossen Aftersales-Player aus Sursee LU eine neue Erfahrung: Seit zwei Jahren kümmert sich die Hostettler Autotechnik hierzulande diesbezüglich um die chinesische Elektromarke JAC und ist damit erstmals für die Ersatzteilversorgung sowie den technischen Support eines Markenimporteurs direkt verantwortlich. Für den Zulieferer eine grosse Chance. «Bei einer Garageneröffnung hat man normalerweise den Vorteil, dass es genügend rollendes Material auf der Strasse gibt, um das man sich kümmern kann. Bei Elektroautos ist dies noch nicht der Fall», erläutert Marcel Stocker, Geschäftsführer Automotive bei Hostettler. «Mit unserem Garagenkonzept eGarage wollen wir ja bestehende Kunden befähigen, dass sie ihre Kundschaft weiter bedienen und betreuen können, wenn diese auf ein Elektroauto wechseln.» Also werden E-Autos zur Wartung und für den Service gebraucht. Weil JAC-Importeur Roger Kunz zum Start einen Aftersales-Partner suchte, half dies Hostettler Autotechnik dabei, ein Netz kompetenter Garagen aufzubauen, das sich um neu auf den Schweizer Markt stossende Elektro-Marken kümmern. «So können wir künftig selbst Marken, die auf Onlinevertrieb setzen oder mit Flagship-Stores arbeiten, regional ein Servicenetz für ihre Kunden bieten», verrät Stocker.

Vom Aftermarkt zum ­Importeursvertreter
Zwar gab es gewisse Ideen beim Luzerner Zulieferer, aber die Zusammenarbeit mit JAC konkretisierte sich schneller als erwartet. «Wir haben uns für den JAC-Aftersales intern fast wie ein Verein organisiert. Aus jeder Sparte, die nötig war: Aus Management, Produktmanagement, Technik, Einkauf und Garantie haben wir einen Spezialisten geholt», erklärt Stocker. Der Blitzstart, weil die ersten JAC-Autos schon in der Schweiz waren und bereits verkauft wurden, aber noch gar keine Teile zur Reparatur am Lager waren, stellte vor zwei Jahren genauso eine Herausforderung dar wie Corona. So startete man bei Hostettler mit vielen WeChat-Sessions und stellte rasch eine weitere Hürde fest. «Die meisten Kontakte konnten gar kein Englisch. Wir mussten für die Schulungen mit Übersetzungsprogrammen und Tools arbeiten», erinnert sich René Köchli, Leiter ­Category Management. «Die Kommunikationsschwierigkeiten haben uns überrascht. Auch die kulturellen Unterschiede sind enorm. Die Erwartungshaltung ist ganz anders.» Ein schönes Beispiel sei die für JAC-SUV angebotene Anhängerkupplung. «Es hat ein dreiviertel Jahr gedauert, bis wir begreifbar machen konnten, dass wir eine Anhängerkupplung nicht für Anhänger, sondern für Veloträger nutzen wollen. Ich war froh, um meine Erfahrungen bei ­Mercedes und Honda. Das half, auch bezüglich nötiger Strukturen.»

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Techniker Martin Joller konnte viel Hochvoltwissen aufbauen.

Ein erfolgreicher AGVS-Garagist
Eine Garage, die ihre Chance mit einer neuer Elektromarke aus China vor knapp zwei Jahren sah und die Strukturen des JAC-Aftersales zu nutzen weiss, war die von Jacques Dupasquier gegründete Garage Central im beschaulichen Cully VD am Genfersee. Das AGVS-Mitglied witterte das Potenzial und hat inzwischen in der Romandie ein JAC-Netz mit zwei eigenen und insgesamt acht Standorten aufgebaut. François Ramo, Berater Mobility Concept, erläutert: «Mit JAC, hinter denen ja auch Volkswagen steht, hat man eine Marke, die trotz der chinesischen Herkunft Qualität und Zuverlässigkeit vermittelt. Das kommt bei Kunden gut an.» Die zwei bislang verfügbaren JAC-Modelle stossen in der Westschweiz auf Interesse. «Klar falle ich mit meinem pinkfarben folierten JAC e-JS4, dem ‹J-Inky›, auf der Strasse auf», meint Ramo schmunzelnd, «aber das Interesse ist bei allen Altersschichten gross. Zudem ist der Preis sehr attraktiv. Wir bringen pro Woche etwa vier bis fünf JAC auf die Strasse.» Das erweitert den Kundenkreis des AGVS-Mitglieds und bringt Umsatz für die Werkstatt. Denn selbst wenn man nun Elektroautos unter die Leute bringt, müssen auch diese zum Service oder Reifenwechsel. Ramo ergänzt: «Unsere beiden Mechatroniker und der Automobildiagnostiker konnten sich grosse Elektro-Kompetenz aufbauen. Sie beraten und schulen inzwischen auch andere Garagisten.»

Auch China ist mit Herzblut dabei
Wie lief eigentlich die JAC-Schulung vor zwei Jahren bei Hostettler Autotechnik selbst? «Grosser Knackpunkt in der Zusammenarbeit mit JAC war und ist: An wen bei den Chinesen richte ich mein Anliegen?», erläutert Techniker Martin Joller. «Gleichzeitig geben sie sich sehr grosse Mühe. Wir kriegen Antwort während unseren Arbeitszeiten, und das sind ja nicht die normalen Bürozeiten in China. Da sieht man schon, dass viel Willen und Herzblut auch auf Seiten von JAC vorhanden ist.» Der erfahrene Techniker merkte aber schnell, dass er es oft mit sehr jungen Leuten ohne viel Erfahrung und mit sehr spezifischem Technikwissen zu tun hatte. Es sei zudem nicht alles Hightech, was aus China komme. «Beim ersten Ersatzteilkatalog, den wir von JAC erhalten haben, habe ich mich in die 1990er-Jahre zurückgesetzt gefühlt», ergänzt René Köchli. Auch bezüglich Software oder DMS habe man mehr erwartet; derlei sei eher etwas altbacken. «Da merkt man, dass sie hier noch in den Kinderschuhen stecken. Dabei produziert JAC schon lange Autos, agiert anders als Nio oder Aiways nicht mit Start-up-Kultur, sondern basiert auf normalen Produktionsstrukturen.» Denn JAC wurde 1964 als Hefei Jianghuai Automobile gegründet, produzierte unter anderem Nutzfahrzeuge und arbeitet eng mit Hyundai und VW zusammen. «Diagnose-Geräte und -Software sind vorhanden», erklärt Joller, «aber alles ist sehr zerstückelt; etwas fürs Update hier, etwas für eine Fehlerauslesung dort und im Hochvoltbereich noch etwas – da gibt es sicher noch Optimierungspotenzial.» Auch von Mehrmarken-Testern, die ja ebenfalls von Hostettler vertrieben werden, sind die JAC-Modelle teilweise noch nicht abgedeckt.

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Ausbaufähig sind bei JAC gemäss Martin Joller noch die Diagnosegeräte und Fehlersuchhilfen.

Die Chinesen lernen schnell
Inzwischen besuchte eine JAC-Delegation das Schweizer Aftersales-Zentrum im luzernischen Buttisholz. «Die Punkte, die wir ihnen bezüglich Verbesserungspotenzial mitgaben, haben sie sehr ernst genommen», erklärt René Köchli. Ob eine sportlich und straffere Fahrwerksabstimmung oder bessere Karrosseriekonservierung, diese Punkte flössen schon in die Produktion ein. «Den Chinesen war gar nicht bewusst, dass wir im Winter die Strassen salzen, was nach Rostschutz verlangt», so Köchli. «Wir sind in der Schweiz im gewissen Sinne ein Testmarkt, rein wegen der Stückzahlen wird es JAC kaum machen.» Daher musste man im Zubehör-Bereich – ein wichtiges Geschäftsfeld im Aftersales – einiges selbst auf den Weg bringen. Bei der Anhängerkupplung arbeitet man mit den Spezialisten für Auflastungen und Anhängerkupplungen, der Ariva GmbH in Wangen an der Aare BE, zusammen. Beim ersten JAC-Modell, dem Kompakt-SUV E-S2, gab es kein DAB-Radio. «Da mussten wir eine Lösung samt Lenkradbedienung suchen», erklärt Techniker Joller. «Beim neuen, grösseren SUV E-JS4 ist dies nun schon ab Werk integriert.» Knifflig waren auch die Felgen. «Da hatte das JAC-Modell etwas spezielle Dimensionen, so dass es ab Stange nicht gleich eine Fülle an passenden Felgen gab.»

Hier kann man noch richtig ­reparieren
Viel gelernt haben die Verantwortlichen bei Hostettler wie JAC-Garagisten im Bereich Batterie und Hochvolt. «Die Batterien sind gut, aber wegen langer Stand- und Transportzeiten gewisser JAC-Modelle hatten wir anfangs viel Arbeit, damit sie einwandfrei an die Händler und Kunden gehen konnten», so Marcel Stocker. «Andererseits haben wir dadurch viel Know-how erworben, etwa bezüglich Ausbalancierung einzelner Batteriezellen.» Techniker Joller ergänzt: «Weiterer Vorteil: Es ist nicht einfach alles eingeschweisst. Man kann auch noch etwas aufschrauben und reparieren.» Die Reparaturfähigkeit habe auch Einfluss auf den Ersatzteilkatalog, denn hier sind beim JAC wieder Teile drin, die man bei anderen Marken gar nicht mehr findet.

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René Köchli, Leiter Category Management bei Hostettler Autotechnik, zieht nach zwei Jahren JAC-Aftersales ein durchaus positives Fazit. 

Bedeutung des Aftersales erkennen
«In der Regel dauert es drei Monate, bis wir Ersatzeile hier haben. JAC selbst scheint kein eigenes Ersatzteillager zu unterhalten, sondern bestellt alles bei Sublieferanten – auch ein Unterscheid etwa zu einer europäischen Organisation», erklärt Köchli. «Das macht Ersatzteilhandling für uns nicht einfacher. Zudem will JAC stets sofort liefern. Wir mussten sie dazu bringen, den Transportcontainer auch zu füllen.» JAC sei aber für viele Garagisten und Konzeptpartner von Hostettler Autotechnik ein sehr guter Einstieg in die E-Mobilität. «Auch die Erwartungshaltung der Kunden ist noch nicht so gross wie bei etablierten Herstellern», so der Leiter Category Management. «Ein weiterer Vorteil für Garagisten, die sich für JAC entscheiden.» Im Moment herrsche fast etwas Goldgräberstimmung bezüglich chinesischer Marken. Viele würden aber nur den Handel sehen, um eine Schiffsladung Autos zu einem guten Preis auf den Markt zu bringen. «Der Aftersales wird meist nicht mitgedacht», erklärt Stocker. «Für uns war noch keine weitere Marke dabei, die uns überzeugte – nicht von der Qualität der Fahrzeuge her, sondern von den Strukturen dahinter. Wir als Aftersales-Partner wollen Teil einer seriösen Importorganisation sein, die anerkennt, wie wichtig der Aftersales und der Unterhalt der Fahrzeuge sind.»
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