Mehrwert für Betrieb wie Mitarbeitende

Flexible Arbeitszeitmodelle

Mehrwert für Betrieb wie Mitarbeitende

23. Mai 2024 agvs-upsa.ch – Als CEO der Thomann Nutzfahrzeuge AG ist Andrea Niggli für die Geschicke von rund 200 Mitarbeitenden an fünf Standorten verantwortlich. Das Spezielle daran: Sie arbeiten nicht einfach einheitlich «Nine-to-five», sondern nutzen über 40 Arbeitszeitmodelle. Jürg A. Stettler

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CEO Andrea Niggli kennt sich als gelernter LKW-Mech auch mit Werkstattarbeiten bestens aus und gibt hier Adrian Canolli einen Montagetipp. Foto: AGVS-Medien

Nicht weniger, sondern anders verteilt arbeiten: Die Mitarbeitenden der Thomann Nutzfahrzeuge AG nutzen verschiedenste Arbeitszeitmodelle. Dies zahlt sich für Mitarbeitende und Betrieb gleichermassen aus. Am Hauptsitz in Schmerikon SG herrscht trotz über 40 Arbeitszeitmodellen aber nicht etwa wildes Kommen und Gehen. Dafür fallen zwei Sachen sofort auf: die Freundlichkeit und der einheitliche Auftritt sogar im Büro. Selbst der Chef trägt ein gebrandetes Hemd. «Ein gepflegter Auftritt gehört so dazu wie Freundlichkeit. Und es stärkt den Zusammenhalt, wenn nicht nur die Werkstatt in Berufskleidung schlüpfen darf», verrät CEO Andrea Niggli zur Begrüssung.

Neue Arbeitszeitmodelle helfen allen
Verschiedene Arbeitszeitmodelle sind für das AGVS-Mitglied Thomann Nutzfahrzeuge AG gar nichts Besonderes: Sie ergaben sich schlicht. «Wir arbeiten fast seit zwanzig Jahren damit. Firmengründer Luzi Thomann hatte einst bei der Suche nach einem Stellvertreter die ideale Person gefunden, doch diese wohnte weiter weg und wollte ihr Pensum in vier Tagen abspulen. So entstand das Arbeitszeitmodell 1», erklärt der heutige CEO und gelernte Lastwagen-Mech Niggli. «Anfangs war es fast ein Hype, 100 Prozent in vier Tagen zu arbeiten. Heute haben wir die unterschiedlichsten Varianten; dies betrifft natürlich nicht die ganze Belegschaft, sondern vielleicht 40 Prozent.»

Irgendwann seien Familienväter vorstellig geworden, die gerne am Mittwochnachmittag frei hätten, und so sei etwa 100 Prozent in 4,5 Tagen eingeführt worden. Auch der Ansatz, strenge Phasen und Erholungsphasen wie auf dem Bau abzuwechseln, sei schon angewendet worden. «Irgendwann haben wir alle Arbeitszeitmodelle akzeptiert, solange die Leistung erbracht wird», erläutert der 43-Jährige. Grösste Herausforderung sei die Akzeptanz beim Kader gewesen, das die ganzen Modelle bei der Planung unter einen Hut bringen musste – was im Büro klar einfacher sei als in der Werkstatt. Beim aktuellen Fach- und Arbeitskräftemangel sei es aber immer noch besser, einen Mechaniker in Teilzeit zu haben als gar keinen. «Selbst wenn ich einen Landwirt habe, der sich zu 60 Prozent um den Hof kümmert und 40 Prozent als Mechaniker arbeiten kann, sind das immer noch zwei Tage oder vier Halbtage, die er bei uns im Haus ist», gibt Niggli zu bedenken.

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Beim AGVS-Mitglied Thomann Nutzfahrzeuge AG stellt CEO Andrea Niggli die Mitarbeitenden ins Zentrum. Fotos: AGVS-Medien

Arbeitszeitmodelle mit klaren Regeln
Entscheidend für den CEO: Die verschiedenen Modelle müssen über ein Reglement sauber geregelt sein. «Es muss für Betrieb, Mitarbeitende und Teams Mehrwert entstehen. Ist das nicht gegeben, gibt es kein Anrecht auf dieses Arbeitszeitmodell», so Niggli. Das bedeutet konsequenterweise, dass bei einem Mechaniker-Team, in dem alle gerne am Freitag frei hätten, dann eben keiner am Freitag frei hat. Vor etwa fünf Jahren hat die Thomann Nutzfahrzeuge AG zudem das Pay-Away-System ins Leben gerufen, bei dem man für mehr Lohn oder Ferien auch mehr arbeitet. Jeder Mitarbeitende, der gewisse niederschwellige Leistungskriterien erfüllt, bekommt ab dem ersten Jahr ausserdem sechs Ferienwochen. «2022 haben wir bei den Swiss Arbeitgeber Awards für unsere Arbeitszeit- und Ferienmodelle den Innovationspreis für eine moderne Arbeitswelt erhalten, womit unsere Anstrengungen extern anerkannt und gewürdigt wurden», ergänzt der Bündner.

Strassenzeit für Kundschaft am wichtigsten
All diese Varianten klingen zwar gut. Aber geht diese Rechnung auch wirtschaftlich auf? «Unser oberstes Ziel als Nutzfahrzeugspezialist ist mehr Strassenzeit für die Fahrzeuge unserer Kunden. Sobald ein LKW steht, verdient er kein Geld. Die Arbeitszeitmodelle helfen uns, gegenüber Kundinnen und Kunden flexibler und in Randzeiten oder am Wochenende mehr für sie da zu sein. Dies wird geschätzt», entgegnet Andrea Niggli. «Diese Abdeckung von Randzeiten und höhere Flexibilität gegenüber den Endkunden ist eine absolute Win-Win-Situation. Der grösste Nachteil für die Firma ist das Handling der ganzen Modelle, denn trotz aller Automatisierung benötigt es pro Tag etwa drei Stunden Aufwand im Büro.» Dies zahle sich durch die Aussenwirkung aus. Arbeitsmodelle seien ein wichtiges Tool, um Arbeitskräftemangel zu begegnen, reichten aber nicht. «Man muss auch Anstrengungen in Richtung Sinnhaftigkeit und Wertschätzung unternehmen», verrät Niggli.

Weiterbildung wird grossgeschrieben
Auch bei der Weiterbildung geht der Nutzfahrzeug-Spezialist neue Wege. «Klar sind die technischen Weiterbildungen sehr wichtig, die uns auch von den Marken, die wir vertreten, vorgegeben werden. Unsere Mitarbeitenden sind beispielsweise speziell für die Arbeiten mit E-Fahrzeugen geschult und verfügen über das Know-how, diese optimal zu warten und reparieren», erläutert Niggli. «Bei Hochvolt-Arbeiten setzen wir strengste Sicherheitsmassnahmen um, um die Sicherheit unserer Kundinnen und Kunden und Mitarbeitenden zu gewährleisten. Egal, ob es um Wartungsarbeiten, Reparaturen oder Diagnosen geht: Ein Team von markenspezifisch geschulten Mitarbeitenden und modernste Spezialwerkzeugen garantieren Sicherheit. Darauf sind wir stolz.»

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Rund 200 Mitarbeitende – hier der Hauptsitz in Schmerikon SG – arbeiten an fünf Standorten trotz 40 Arbeitszeitmodellen perfekt Hand in Hand.

Sozialkompetenz immer wichtiger
Bei Thomann gibt es aber auch Weiterbildungen bezüglich Kultur – ja, richtig gelesen! «Ja, Kultur. Denn wir sind in kurzer Zeit zu einem Unternehmen mit 200 Mitarbeitenden an fünf Standorten gewachsen. Einfach nur ein Plakat mit den Werten und der Firmenkultur aufzuhängen, bringt da kaum etwas», bekräftigt der CEO. Auch an kleineren oder grösseren Schulungen, in denen man für den Betrieb Mehrwert sieht, macht man mit. «Ein Kurs zu Personalführung oder Sozialkompetenz für Ausbildner kann einem Betrieb und den Mitarbeitenden viel bringen», so Niggli. In Chur habe man beispielsweise für die Lernendenausbildung einen ehemaligen Sozialpädagogen, der einst Landmaschinenmechaniker gelernt hatte, engagiert. «Sozialkompetenz ist endlos wichtig, und wenn ich sehe, wie heute psychische Probleme allgemein zunehmen, bin ich sehr froh um diesen Entscheid. Für die technischen Belange haben wir viele Mitarbeitende, aber Sozialkompetenz während des Daily Business ist heute schwieriger», sagt der Chef der Garagen-Gruppe, die 40 Lernende beschäftigt.

Mit 40 Lernenden in die Zukunft
«Für uns sind 40 Lernende nicht viel. Im Vergleich mit anderen Betrieben haben wir nicht viele, sondern die anderen einfach brutal wenige», wird Andrea Niggli deutlich. «Lernende sind die Arbeitskräfte, die uns am besten helfen, den Nachwuchs sicherzustellen!» Bei diesen habe sich zwar einiges verändert: Vor zehn Jahren seien Lernende noch einen Tag in der Gewerbeschule und vier Tage im Betrieb gewesen. «Heute haben sie nur schon 1,5 Tage Schule, dann ist noch ÜK, dann ist noch da und dort etwas – so wird die Zeit im Betrieb rasch weniger.» Seit fünf Jahren trägt das AGVS-Mitglied das Label «TOP-Ausbildungsbetrieb». Dafür ging man den Weg weg vom Lernschema «Vormachen, Nachmachen, Mitmachen» und hin zum entdeckenden Lernen. Klingt komplex, aber macht Sinn. «Wenn ich einem Lernenden den Auftrag gebe, der LKW da draussen solle umgerüstet werden auf Sommerpneus und er solle sich schon mal Gedanken machen, wie er das angehen und umsetzen will, ist der Lerneffekt sicher höher, als wenn ich einfach alles vorzeige und erkläre», gibt Andrea Niggli zu bedenken. Gleichzeitig werde mit entdeckendem Lernen Eigenverantwortung und Qualitätsbewusstsein gefördert. Fehler seien erlaubt. Sie müssten einfach in der Endkontrolle, die der Mechaniker zusammen mit dem Lernenden mache, aufgedeckt und behoben werden.

Grundeinstellung «Warum nicht?»
Andrea Niggli empfiehlt allen Betrieben, egal welcher Grösse, mit der Einstellung «Warum nicht?» an Herausforderungen heranzugehen. «Nicht gleich ablehnen, sondern zuerst einmal zusammen nach Lösungen suchen. Dabei auch die Leute an der Front abholen und in die Lösung integrieren. So kann man Lösungen ausarbeiten, die am Schluss akzeptiert sind. Und jeder Chef sollte wissen, welche Leute er dafür ins Boot holen muss», ergänzt Niggli. Ein «Ja, aber…» sei nie zielführend. Abschliessend gibt er zu bedenken, dass man bei der Thomann Nutzfahrzeuge AG die Arbeitszeitmodelle eingeführt habe, «weil wir damit den Mitarbeitenden und unserem Betrieb einen Mehrwert bieten konnten. Solange man die Mitarbeitenden nicht ins Zentrum rückt als Betrieb, helfen die besten Arbeitszeitmodelle nichts». Andrea Niggli betont ergänzend: «Wertschätzung, Werthaltung und klare Marschrichtung sind heute ebenfalls wichtige Aspekte, die umgesetzt werden müssen – und vorgelebt!»
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