Keine Narrenfreiheit trotz Bundesgerichts-Urteil

Ordnungsbusse

Keine Narrenfreiheit trotz Bundesgerichts-Urteil

22. März 2019 agvs-upsa.ch – Ist unklar, wer das Geschäftsauto fuhr, muss das Unternehmen die Ordnungsbusse nicht bezahlen. Das hat das Bundesgericht entschieden. Narrenfreiheit haben die Unternehmen deswegen trotzdem nicht.

abi. Das Urteil des Bundesgerichts geht auf einen Fall vom August 2014 zurück. Der Lenker eines Geschäftsautos fuhr innerorts 14 km/h zu schnell. Die Obwaldner Kantonspolizei verknurrte das Unternehmen, das als Halterin des Wagens eingetragen war, daraufhin zu einer Busse von 250 Franken. Sie stützte sich auf Artikel 6 des Ordnungsbussengesetzes (OBG): Ordnungsbussen bis zu 300 Franken werden dem im Fahrzeugausweis eingetragenen Halter auferlegt, wenn der tatsächliche Lenker nicht bekannt ist. Dies war der Fall, denn das Unternehmen gab an, nicht zu wissen, wer den Wagen gefahren hatte. 

Das Unternehmen war mit der Busse nicht einverstanden und zog die Beschwerde bis vor Bundesgericht. Diese Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Das Bundesgericht hob das Urteil des Obwaldner Obergerichts auf und sprach die Beschwerdeführerin frei. 

Keine Strafe ohne Gesetz
Das Bundesgericht begründete sein Urteil mit dem Grundsatz, dass es ohne Gesetz keine Strafe gibt. Denn gemäss Strassenverkehrsgesetz werden im Bereich der Verkehrsdelikte die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (StGB) angewendet – wenn keine abweichende Regelung besteht. Laut Bundesgericht schliesst das StGB eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen bei blossen Übertretungen jedoch aus. Da Artikel 6 OBG nicht ausdrücklich auf die Haftung von Unternehmen verweist, fehlt für das Bundesgericht eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Ergo: Die Bestimmung darf bei juristischen Personen nicht angewendet werden. 

Pikant daran ist, dass der Bundesrat mit dem Verkehrssicherheitspaket Via sicura die Verantwortung der Fahrzeughalter stärken wollte. So sollten auch juristische Personen als Fahrzeughalter bei geringfügigen Verstössen in die Pflicht genommen werden können. 

Kein Freifahrtschein für Übertretungen
Für die Geschäftsautolenker ist das Urteil aber kein Freifahrtsschein, denn es geht darin nur um Ordnungsbussen. Damit werden Bagatellen wie geringfügige Geschwindigkeitsübertretungen, Falschparkieren oder das nichtvorhandene Pannendreieck geahndet. 

Werden aber beispielsweise Personen gefährdet oder verletzt oder es entsteht Sachschaden, können die Behörden die Verstösse nicht mehr im vereinfachten Verfahren mit Ordnungsbussen bis 300 Franken erledigen. Es drohen härtere Strafen, die von Geld- bis zu Freiheitsstrafen reichen. Für den AGVS-Rechtsdienst ist daher klar: Es ist wichtig, dass eindeutig zugeordnet werden kann, wer gefahren ist. 

Gerade jetzt bei den vielen Probefahrten anlässlich der Frühlingsausstellungen sitzen besonders viele fremde Personen in den Garagenautos. Der AGVS bietet deshalb mit einem Benutzungsvertrag für Probefahrten Hand. Mit diesem Benutzungsvertrag ist der Probefahrer für die Einhaltung der geltenden Strassenverkehrsvorschriften verantwortlich. Das heisst, er haftet bei allfälligen Verkehrsvergehen wie Geschwindigkeitsüberschreitungen vollumfänglich selbst. Der AGVS rät zudem dringend, dem Vertrag immer auch eine Führerausweiskopie des Kunden anzuheften.

Bei internen Probefahrten nach Reparaturen oder bei Garagenautos hilft beispielsweise ein Fahrtenbuch, in dem eingetragen wird, wer wann und mit welchem Fahrzeug unterwegs war.
 
Bei Fragen hilft der Rechtsdienst des AGVS gerne weiter.
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